Kraftstoff vom Acker – von der Biomasse zum Designersprit
Es ist kaum zu glauben. Obwohl die flüssigen und gasförmigen fossilen Rohstoffe noch in diesem Jahrhundert zur Neige gehen, wird täglich Erdgas abgefackelt. Es kommt zusammen mit Erdöl aus den Lagerstätten und dort, wo keine Pipelines für den Abtransport zur Verfügung stehen, wird es einfach verbrannt. Eine pure Verschwendung und eine zusätzliche Belastung der Atmosphäre mit Kohlendioxid.
Künftig könnte dieses Erdgas zu einem synthetischen, flüssigen Kraftstoff umgewandelt werden, der leicht zu transportieren ist. Gerade entsteht im Emirat Katar eine solche „Gas to Liquid“-Anlage mit einer Jahreskapazität von 6,5 Millionen Tonnen Treibstoff. Hergestellt aus einem Energieträger, der bislang nutzlos und umweltbelastend „entsorgt“ wurde. In Malaysia wird SynFuel seit 1993 produziert.
Synthetisch hergestellter Sprit ist für Motorenentwickler eine Art Traum-Kraftstoff. Er ist besonders rein und er verbrennt schadstoffarm sowie nahezu rußfrei. Betankt man einen älteren Diesel, der lediglich die EU3-Abgasnorm erfüllt, mit dem Synthetik-Kraftstoff, erreicht er ohne weitere technische Veränderung die wesentlich strengere EU4-Norm. Und die beste Nachricht ist: Dieser Sprit kann nicht nur aus Erdgas, sondern genauso aus Biomasse hergestellt werden. Also aus nachwachsenden Rohstoffen, die ihre Energie quasi aus der Sonne gewinnen. Deshalb wird SynFuel in diesem Fall SunFuel genannt, obwohl es chemisch keinen Unterschied gibt. Produziert wird der Kraftstoff bei Choren Industries in einer Pilotanlage im sächsischen Freiberg aus Stroh, Holabfällen und sonstigen Pflanzenresten. Nach einer Erweiterung wird sie 2007 eine Kapazität von über 16 Millionen Liter pro Jahr haben. Auf je 200 Millionen Liter ausgelegt sind fünf geplante Großanlagen. Die erste soll 2009 bei Greifswald mit der Produktion beginnen. Deutschland nimmt damit eine führende Rolle bei der Nutzung erneuerbarer Energie ein, was auch Zukunftsforscher Dennis Meadows, Mitautor der Studie „Grenzen des Wachstums“, bestätigt.
SunFuel ist ein Bio-Kraftstoff der zweiten Generation, der keinesfalls mit Biodiesel, einem Bio-Kraftstoff der ersten Generation, verwechselt werden darf. Biodiesel besteht aus langen Kohlenstoff-Ketten, die für moderne Dieselmotoren nahezu unverdaulich sind. Außerdem schwankt die Qualität, weil es immer darauf ankommt, aus welchem Basismaterial der Kraftstoff gewonnen wird. Das ist beim synthetischen Verfahren, das bei der Herstellung von SunFuel angewendet wird, völlig anders. Hier ist Sprit-Qualität gleichbleibend und unabhängig vom Ausgangsmaterial. Weil die Eigenschaften exakt an die Erfordernisse hochentwickelter Motoren angepasst werden können, wird SunFuel oft auch als Designer-Kraftstoff bezeichnet.
Ein weiterer Vorteil ist der geringere Flächenbedarf. Weil die gesamte Masse der Pflanze verarbeitet und nicht nur – wie bei Bio-Diesel – das Öl herausgepresst wird, ist der Hektarertrag bei SunFuel dreimal so hoch. Doch hier ist die Forschung erst am Anfang. Rund um Wolfsburg baut Diplom Landwirt Eckart Zipse auf seinen Feldern einen eigenartigen Mix aus Sonnenblumen, Erbsen und Getreide an. Was wie Wildwuchs aussieht, ist in Wirklichkeit ein von Volkswagen unterstütztes Projekt, das dazu dient, die Produktion von Biomasse zu optimieren. Weil es nicht auf die Fruchtreife sondern nur auf Masse ankommt, erntet Landwirt Zipse zweimal im Jahr – im Juni und im Herbst. Mit Neuzüchtungen, so die Hoffnung, ist der Ertrag von Biomasse noch zu steigern. Genügend brachliegende Flächen sind vorerst vorhanden.
Bis 2020 sollen EU-weit etwa 25% des Dieselkraftstoffes durch SunFuel ersetzt werden. Bereits die Beimischung bringt Vorteile bei den Schadstoff-Emissionen und da die Pflanzen während ihres Wachstums Kohlendioxid aufnehmen, verbessert sich auch die CO2-Bilanz. Schweden will schon 2020 völlig auf fossile Energieträger verzichten und setzt dabei auf Bio-Ethanol, einen Kraftstoff, den Benzinmotoren verbrennen können und der aus Holzabfällen, Mais, Zuckerrohr und Getreide gewonnen wird. Doch bevor Fahrzeuge eine Benzin-Ethanol-Mischung vertragen, müssen sie technisch umgerüstet werden. Tank, Rohre, Kolben und Gummidichtungen sind auf das aggressivere Gebräu vorzubereiten. Ford und Saab bieten Fahrzeuge an, die schon entsprechend ausgerüstet sind, zu Aufpreisen zwischen 300 und 1000 Euro. Nachteil: Das Tankstellennetz ist noch äußerst dünn. Ein Liter E85, eine Mischung aus 15% Benzin und 85% Ethanol kostet derzeit 93 Cent. Aufgrund des geringeren Energiegehaltes ist mit einem Mehrverbrauch von 15-30% zu rechnen.
Stärker als bei SunFuel gibt es bei Ethanol eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Weizen und Mais in den Tank, ist eine Vorstellung die grundsätzlich Unbehagen auslöst. Mit Nachdruck wird deshalb an einem Verfahren gearbeitet, das eine Herstellung von Bio-Ethanol aus Cellulose ermöglicht. Gelingt in großem Stil, was in Versuchsanlage bereits funktioniert, sind Holzabfälle und Stroh die Stoffe aus dem der neue Sprit destilliert wird. Beim Aufspalten von Cellulose fällt zudem Lignin an, ein bräunliches Pulver, das in Kraftwerken verheizt werden kann.
Schon in der Zeit vor dem Automobil waren die Bauern die Energielieferanten der Mobilität. Haferanbau war schließlich nichts anderes als „Kraftstoff-Produktion“ fürs Pferd. Niemand glaubt ernsthaft, dass der „Sprit vom Acker“ alleine in der Lage ist, die Energieprobleme der Zukunft zu lösen. Man wird auch ein waches Auge darauf richten müssen, dass nicht weitere Regenwälder für die Produktion von SunFuel oder Ethanol abgeholzt werden, wie es in Brasilien schon geschehen ist. Doch auf jeden Fall sind Bio-Kraftstoffe eine Brückentechnologie auf dem Weg in ein ganz neues Energie-Zeitalter, in dem Wasserstoff und die Brennstoffzelle das Kommando übernehmen. Damit beschäftigt sich unser letzter Beitrag der Serie „Mobilität ohne Öl“.
Hans-Joachim Rehg